Wenn Kinder streiten: Die Rolle der Eltern bei Konflikten unter Gleichaltrigen und was tun, wenn andere Eltern übergriffig werden?

Kinder streiten. Sie raufen, schreien, schmollen, verhandeln. Und das ist gut so. Denn Konflikte sind kein Zeichen für schlechte Erziehung – sie sind Lernfelder. Besonders wenn es um Auseinandersetzungen mit anderen Kindern geht (also nicht mit Geschwistern), stehen Eltern oft vor der Frage: Soll ich eingreifen – und wenn ja, wie?

Noch herausfordernder wird es, wenn nicht nur die Kinder im Konflikt sind, sondern auch andere Eltern plötzlich mitmischen: übergriffig, parteiisch, laut – und dabei das eigene Kind als „Täter“ hinstellen. Was tun in solchen Momenten?

In diesem Beitrag finden Sie fachlich fundierte, alltagsnahe Tipps, wie Sie als Eltern in solchen Situationen präsent und handlungsfähig bleiben – und Ihrem Kind langfristig dabei helfen, Konflikte selbstbewusst und sozial kompetent zu lösen.

Warum Kinder streiten – und warum das wichtig ist

Streit ist keine Katastrophe. Im Gegenteil: In Auseinandersetzungen lernen Kinder, ihre Bedürfnisse zu benennen, Frust zu bewältigen, Kompromisse zu finden, und soziale Regeln zu verstehen.

Gerade kleinere Kinder befinden sich noch in einer wichtigen Übungsphase: Sie reagieren impulsiv, denken noch sehr stark aus ihrer eigenen Perspektive heraus und haben noch wenig Werkzeuge, um Konflikte sprachlich oder lösungsorientiert zu bearbeiten.

Genau hier kommen wir Eltern ins Spiel.

Die Elternrolle: Präsenz statt Kontrolle

Als Eltern sind wir keine Schiedsrichter, sondern emotionale Begleiter. Unsere Aufgabe ist es, für Sicherheit zu sorgen, Orientierung zu bieten – und Konflikte als Chance zu nutzen.

1. Ruhe bewahren – auch wenn es laut wird

Wenn Kinder sich streiten, sind unsere eigenen Alarmglocken oft schnell an. Doch unser ruhiges Verhalten überträgt sich. Signalisieren Sie mit Haltung und Ton: „Ich bin da. Ich helfe euch, wenn ihr es braucht.“

2. Nicht vorschnell Partei ergreifen

Auch wenn das eigene Kind betroffen ist, gilt: erstmal beobachten, zuhören, verstehen. Wer vorschnell urteilt, nimmt den Kindern die Möglichkeit, ihre Sichtweise zu schildern – und verstärkt nur die Fronten.

Fragen statt urteilen:

„Was wolltet ihr beide gerade machen?“

„Wie habt ihr euch dabei gefühlt?“

„Wie könnten wir das gemeinsam lösen?“

3. Konfliktlösung begleiten – nicht dominieren

Kinder brauchen manchmal Hilfe beim Übersetzen ihrer Emotionen in Worte:

„Du bist traurig, weil du auch mitspielen wolltest.“

„Du bist wütend, weil er dir das weggenommen hat.“

So lernen sie, ihre Gefühle wahrzunehmen, zu benennen – und den nächsten Streit vielleicht schon etwas besser zu meistern.

4. Klären statt „ausreden“

Eine erzwungene Entschuldigung bringt selten echte Einsicht. Besser ist es, in Ruhe darüber zu sprechen, was passiert ist – und was beim nächsten Mal anders laufen könnte.

Wenn der wahre Stress nicht vom Kind kommt – sondern von anderen Eltern

Besonders schwierig wird es, wenn nicht nur die Kinder im Konflikt sind, sondern auch andere Eltern sich einmischen – oft laut, anklagend, parteiisch. Vielleicht kennen Sie das: Ein anderes Kind tut Ihrem Kind weh, aber die andere Mutter beschuldigt trotzdem Ihres. Oder es wird lautstark klargestellt: „Mein Kind macht sowas nicht!“

Das kann tief treffen. Und es stellt Eltern vor echte Herausforderungen.

Wie können Sie in solchen Situationen reagieren?

1. Nicht in die Eskalation einsteigen

Auch wenn es schwerfällt – bleiben Sie ruhig. Ihr ruhiger Ton schützt nicht nur die Situation, sondern auch Ihr Kind. Kinder beobachten genau, wie wir mit Vorwürfen umgehen.

„Ich verstehe, dass Sie Ihr Kind schützen wollen. Ich möchte aber nicht, dass so über mein Kind gesprochen wird. Lassen Sie uns beide Kinder anhören.“

2. Klar und freundlich Grenzen setzen

Ihr Kind braucht in diesem Moment Ihren Schutz – aber ohne, dass der Konflikt zwischen Erwachsenen weiter eskaliert. Eine klare, aber ruhige Grenze zu setzen, zeigt Stärke ohne Aggression.

3. Ihr Kind emotional auffangen

Wenn Ihr Kind mitbekommt, dass es zu Unrecht beschuldigt wurde, sprechen Sie es später darauf an:

„Ich habe gesehen, wie du geguckt hast. Das war nicht fair für dich. Ich war da und habe dich gesehen.“

Das vermittelt Sicherheit und Verbundenheit – auch wenn die Situation selbst nicht sofort „gelöst“ werden konnte.

4. Langfristig: Kontakt reflektieren

Wenn solche Situationen öfter mit denselben Eltern auftreten, lohnt es sich, den Kontakt zu überdenken. Muss Ihr Kind regelmäßig mit diesen Kindern spielen? Oder ist etwas mehr Distanz heilsam für alle Beteiligten?

Eltern sein heißt: Haltung zeigen – nicht Rechthaben müssen

Konflikte zwischen Kindern sind normale und wertvolle Lernchancen. Aber sie bringen manchmal auch unsere eigenen Muster, Ängste oder Wut ans Licht – vor allem, wenn andere Eltern sich übergriffig verhalten.

Der wichtigste Anker: Bleiben Sie bei sich. Und bei Ihrem Kind.

Starke Eltern müssen nicht laut werden. Sie zeigen Präsenz, Klarheit und Mitgefühl – und sind genau dadurch das Modell, das Kinder brauchen, um mutig und sozial zu wachsen.

Haben Sie selbst schon solche Situationen erlebt? Fühlen Sie sich manchmal hilflos oder verletzt, wenn andere Eltern Ihre Erziehung infrage stellen?
Ich bin für Sie da. In meiner Familienberatung finden Sie Raum für Reflexion, Austausch und Unterstützung.

Herzlich,

Michelle

Ohana Beratung

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