„Gehorsam oder seelische Gesundheit?“ Warum wir umdenken müssen, wie wir erziehen
„Man kann nicht erwarten, dass ein Kind gleichzeitig gehorsam und seelisch gesund ist.“
Alice Miller
Viele von uns wurden mit der Vorstellung groß: „Ein gutes Kind ist ein gehorsames Kind.“ Aber ist das wirklich das, was wir uns für unsere Kinder wünschen? Ein Kind, das still ist, brav und angepasst, aber vielleicht irgendwann nicht mehr weiß, wer es selbst eigentlich ist? In der Familienberatung sehe ich oft, wie tief diese alten Bilder sitzen. Und wie groß der Druck ist, ein „funktionierendes“ Kind zu haben. Aber in der Erziehung, wie im Leben, gilt: Abgerechnet wird zum Schluss. Was zählt, ist nicht, wie brav ein Kind heute ist, sondern ob es in 20 Jahren mit sich selbst im Reinen ist. Ob es weiß, wer es ist, und dem Leben mutig begegnet.
Gehorsam kann täuschen
Ein Kind, das scheinbar problemlos „gehorcht“, kann innerlich still leiden. Es hat gelernt, sich selbst zurückzunehmen, um Erwartungen zu erfüllen. Dies oft auf Kosten seiner Gefühle, seiner Spontaneität, seiner Authentizität. Das Ziel sollte nicht sein, dass ein Kind alles tut, was wir sagen. Sondern: Dass es mit uns in Beziehung bleibt, auch, wenn es anders denkt oder fühlt.
Was heißt das konkret? 5 Tipps für Eltern, die Nähe statt Macht wählen wollen:
1. Gefühle nicht abwerten, sondern begleiten
Wenn dein Kind wütend, traurig oder überfordert ist: Versuch nicht, es „wegzumachen“. Sag nicht: „Jetzt ist aber gut!“ oder „Stell dich nicht so an.“
Sag stattdessen: „Ich sehe, dass du gerade richtig wütend bist. Das ist okay. Ich bin da.“ Kinder dürfen fühlen. Das macht sie stark, nicht schwach.
2. Grenzen setzen ohne Härte
Klare Grenzen sind wichtig. Aber sie brauchen keine Strafen. Statt: „Wenn du jetzt nicht kommst, gibt’s keine Medienzeit mehr.“
Besser: „Ich sehe, dass es dir gerade schwerfällt aufzuhören. Ich helfe dir, Schluss zu machen und wir reden dann darüber, warum es so schwer war.“
3. Nicht jedes Nein persönlich nehmen
Wenn dein Kind widerspricht, ist das kein Angriff. Es ist ein Zeichen von Entwicklung. Es lernt, sich abzugrenzen. Frag dich: Will ich ein Kind, das später Ja sagt, obwohl es Nein meint? Oder will ich ein Mensch, der sich traut, für sich selbst einzustehen?
4. Verbindung vor Erziehung
Bevor du korrigierst, schimpfst oder erziehst, frag dich: Bin ich gerade in Verbindung mit meinem Kind? Ein Kind, das sich gesehen fühlt, ist eher bereit, mit dir zu kooperieren.
5. Auch du darfst lernen und Fehler machen
Du bist nicht „zu weich“, wenn du dein Kind nicht anschreist. Und du bist kein schlechter Mensch, wenn du es doch mal tust. Wichtig ist, was du danach machst. Sag ruhig: „Es tut mir leid, dass ich gerade so laut geworden bin. Ich möchte es anders machen.“ Lebe deinem Kind vor, dass du Verantwortung für dein Handeln übernimmst. Kinder lernen nicht durch perfekte Eltern, sondern durch echte Menschen, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln.
Was bleibt am Ende?
Nicht das Lob für ein „braves“ Kind. Sondern die tiefe Verbindung zwischen Eltern und Kind. Das Vertrauen. Die innere Stärke. Ein Mensch, der sagen kann:
„Ich bin okay, so wie ich bin und ich darf in Beziehung bleiben, auch wenn ich nicht perfekt bin.“
Wenn du diesen Weg mit deinem Kind gehen möchtest, aber manchmal nicht weißt, wie, ich bin da.
Herzlichst,
Michelle
Ohana Beratung